Bretagne-Tipp
mittendrin im Bretagne-Urlaub
Das Auto bleibt draußen! Wo früher Perdefuhrwerke über das Pflaster bollerten, sind heute bestenfalls Kinderwagen zugelassen. Das ca. 15 km nördlich von Quimper im Finistère gelegene Locronan bleibt, so gut es geht, authentisch. Nirgendwo in der Bretagne sind von einem ganzen Ort so viele Bauwerke in der Substanz erhalten geblieben, wie sie vor vielen Jahrhunderten erbaut wurden - ein einheitliches und beeindruckendes Bild der einstigen Bretagne aus Granit und Schiefer als Parade-Beispiel der Bretagne Architektur. Und so geht man denn zwar vorwärts in den Ort hinein, dabei aber mit kräftigen Schritten in der Zeit zurück - besonders im Sommer aber nicht allein: Den 800 Einwohnern Locronans stehen jährlich 600.000 bis 800.000 Touristen gegenüber - im wahrsten Sinne des Wortes. Natürlich lebt dieser bemerkenswerte Ort heutzutage vom Tourismus, und die Touristen geben ihrerseits dem Ort seine Lebendigkeit.
Mehrere Filme wurden im malerischen Locronan gedreht. So nahm Roman Polanski 1979 hier Außenszenen für seinen Film "Tess" mit Nastassja Kinski auf. Auch wenn der Film in Südengland und nicht in der Bretagne spielt, billiger kommt man sicher nicht an eine so tolle, an Südengland erinnernde Kulisse mit alten Granit-Steinhäusern. Man muss wahrscheinlich bloß die eh nur dezent angebrachten Hinweisschilder der Creperien und touristischen Läden für Antiquitäten, Souvenire, bretonische Kleidung und verschiedenstes Kunstgewerbe abnehmen.
Die Häuser wurden in der Zeit des Wohlstands in der Bretagne gebaut, damals, als es im 16. und 17. Jahrhundert der Bretagne durch ihren florierenden Tuch- und Seehandel so gut ging wie niemals zuvor (vgl. Geschichte Bretagne Wohlstand). Die Manufakturen Locronans steuerten dazu hochwertige Segeltuche bei, die wegen ihrer dazu noch herausragenden Größe in Europa reißenden Absatz fanden. Nicht zuletzt die spanische Armada wurde mit diesen Segeln ausgerüstet. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts mischte Locronan in diesen Geschäften weiter kräftig mit, und bis dahin trugen auch die Tuchhändler zum heutigen Ortsbild bei.
Der bretonische Ortsname Locronan bedeutet "Ort des Ronan". Diesem Heiligen zu Ehren wurde von 1420 bis 1477 die heute den Ort prägende gotische Kirche "Locronan du Bois" gebaut (siehe auch oberstes Bild), von Anne de Bretagne gegen 1500 als Ausdruck ihrer tiefen Verbundenheit mit dem Heiligen durch eine Kapelle ergänzt, um dem Grab des Heiligen Ronan einen würdigen Rahmen zu geben. Nach dem dritten Brand des Kirchturmes (1880, das goldene Zeitalter der Bretagne war lange vorbei, vgl. Bretagne Geschichte Industrialisierung) wurde dieser aber nur noch in einem bescheideneren Rahmen wieder aufgebaut.
Ronan gehört zu den Heiligen der Bretagne, die ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. in einer keltischen Einwanderungswelle aus Britannien kommend die Bretagne christianisierten und die bretonische Kultur entscheidend prägten (vgl. Kelten und Heilige). Als irischer Bischof war er gegen Ende des 7. Jahrhunderts zu einem Konzil nach Frankreich gereist und soll danach im Wald bei Locronan eine Einsiedelei gegründet haben.
Die Geschichte Locronans reicht aber noch über tausend Jahre weiter zurück. Im 5. Jh. vor Chr. lebten keltische Stämme in der Bretagne, und heute berufen sich einige Feste Locronans auf kultische Elemente dieses ur-keltischen Ursprungs. Allen voran steht ein außergewöhnliches christliches Fest, die nur alle sechs Jahre stattfindende große Wallfahrt ("Grande Tromenie de Locronan", sie fand z.B. im Jahr 2007 statt), deren Stationen mit Orten aus jener Zeit und dem keltischen Kalender in Zusammenhang gebracht werden. Wer seinen Bretagne-Urlaub diesen Zeitabständen nicht anpassen kann, findet dazwischen aber auch jährlich stattfindende kleinere Wallfahrten mit vermutlich auch in Bretagne-Trachten gekleideten Teilnehmern.