Bretagne-Tipp

mittendrin im Bretagne-Urlaub

Die bretonische Sprache heute

Bretagne Kultur

Im Jahre 1950 sprachen in der Bretagne noch ca. 100.000 Bewohner ausschließlich Bretonisch, 1980 gab es diese Einsprachigkeit nicht mehr. Immerhin erklärten 1999 in der Bretagne 12 % der erwachsenen Bretonen, dass sie die bretonische Sprache verwenden, um sich z.B. mit Familienmitgliedern oder Freunden zu unterhalten. 257.000 Befragte gaben an, Bretonisch sprechen zu können, die meisten davon Landwirte, Handwerker, Kaufleute oder Arbeiter. Drei Viertel der Bretonisch Sprechenden waren älter als 50 Jahre, die Hälfte war sogar älter als 65 Jahre. Während die Fremdsprachen immer weiter auf dem Vormarsch sind, vor allem das zur Jahrtausendwende von 112.000 erwachsenen Bretonen gesprochene Englisch, wird das Bretonische immer weniger gelernt: Im Jahre 2014 waren es vermutlich erstmals weniger als 200.000 Sprecher.

Die alten Bretonen geben die bretonische Sprache nicht mehr weiter

Eine Ursache dafür ist, dass lange Zeit die Schule die bretonische Sprache unterdrückte (die bilingualen Schulen "Diwan" gibt es erst seit 1977) und das Bretonische durch das Französische ersetzt wurde. Somit war das Erlernen der bretonischen Sprache auf den Familienbereich begrenzt. In den 20er Jahren lernten 60 % der Kinder die bretonische Sprache von ihren Eltern, in den 80er Jahren waren es nur noch 6 %.

Bretonische Sprache: Werbeplakat für bilinguale Klassen.

Ist diese Tendenz aufzuhalten? Beispielsweise wirbt das Plakat aus dem Jahre 2008 für mittlerweile vom französischen Staat unterstützte bilinguale Klassen, in denen der Unterricht sowohl auf Französisch als auch auf Bretonisch erteilt wird. Das Plakat ist folgerichtig in beiden Sprachen abgefasst und wirbt mit der Aussage "Bretonisch und Französisch, mit zwei Sprachen wachsen". Schließlich gewinnen die Regionalsprachen bei der Identitätsfindung einer Region in einem das Nationalbewusstsein relativierenden Europa an Bedeutung. Bretonisch gehört zur Bretagne-Kultur!

Nur: Es gibt in der Bretagne einen großen Bruch in der Kontinuität des Spracherwerbs. Die älteren Muttersprachler, die einen der vier bretonischen Dialekte sprechen, geben ihre Sprachkenntnisse nicht mehr weiter. Gelehrt und durch Radio, Fernsehen und andere Medien verbreitet wird heute ein "Neobretonisch", das hauptsächlich von Bretonen gesprochen wird, die ihre bretonische Sprache nicht als Muttersprache erlernt haben. Dieses neu konzipierte Bretonisch unterscheidet sich von den historisch gewachsenen Dialekten teilweise in Begriffen und Aussprache, und Untersuchungen wie die 2009 veröffentlichte Feldstudie von Wolfgang Köhler im Südfinistère zeigen einen facettenreichen Sprachkonflikt zwischen den alten Sprechern und den "Neobretonen".

Ob es für diese neue bretonische Sprache einen Übergang von der "Fremdsprache" zurück in die Muttersprache geben wird? Konsequenterweise werden im öffentlichen Bildungssystem der Bretagne bereits vor der Grundschule bilinguale Klassen im Kindergarten angeboten, in denen die Kinder möglichst gleich gewichtet auf Französisch und Bretonisch betreut und unterrichtet werden. Und es wird massiv eingefordert, dass alle offiziellen Informationen im Alltag gleichberechtigt auf Bretonisch zu lesen sind. So sehen Sie in der Bretagne häufig Aukleber, die auf Schilder geklebt sind, deren Texte allein auf Französisch zu lesen sind. "E Brezhoneg!" = "Auf Bretonisch!" steht auf den Aufklebern.

Aufkleber "E Brezhoneg!"