Bretagne-Tipp

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Gotik

Baustile

In der Mitte des 12. Jahrhunderts entsteht in Frankreich der gotische, die Romanik allmählich ablösende Baustil. Er breitet sich in Europa aus (England ab 1175, Deutschland kurz nach 1200) und entwickelt sich zu einer umfassenden Stilepoche, die in Frankreich bis ins 16. Jahrhundert reicht. Die herausragende Kunstschöpfung dieser Epoche ist die französische Kathedrale als Gesamtkunstwerk des Mittelalters, die zur stärksten Vereinheitlichung der Architektur in Europa führt. Die Grundlage des Erfolgs dieses Baustils war, dass jeder Kathedralenbau das vorher Erreichte zusammenfasste und zugleich Vorbild für folgende, größere und eindrucksvollere Projekte war, durch Baumeister europaweit verbreitet. Erst durch die Renaissance entwickelt sich eine neue, die Gotik ablösende Geisteshaltung. Der in Italien während der Renaissance geprägte Begriff "Gotik" war ursprünglich ein vom Namen des Germanenstamms der Goten übertragenes Schimpfwort, gleichzusetzen mit "fremdartig" oder "barbarisch", eine Abwertung der Kunst des Mittelalters gegenüber den Werten der Antike.

Bretagne-Architektur-Baustile-Gotik: Ein neues Weltbild - Christus in der Kirche von Kernitron in Lanmeur an der Bretagne-Nordküste.
Christus in der Kirche von Kernitron in Lanmeur an der Bretagne-Nordküste.

Zur Zeit der Gotik schufen tiefgreifende Wandlungen in der Politik, Philosophie und Gesellschaft ein neues Weltbild, welches seinen künstlerischen Ausdruck im Bau und in der Gestaltung der Kathedralen findet. So kann die frühe Kathedrale als Symbol des erstarkenden Königtums in Frankreich und der Macht der französischen Könige angesehen werden. Beispielsweise gilt die Kirche St-Denis nördlich von Paris, seit dem Ende des 10. Jahrhunderts die Grabstätte fast aller französischen Könige, als die Geburtsstätte der Gotik. Eine neue Frömmigkeit des Volkes, beeinflusst durch die philosophische Schule der Mystiker und ihrer ekstatischen Suche nach Gotteserfahrung und Einswerdung mit Gott spiegelt sich in der Betonung des Aufwärtsstrebens, der Vertikalen im Kathedralenbau und in der Lichtdurchflutung der Kathedralen wider. Und auch Wohlstand, Bildung und Standes- und Selbstbewusstsein eines im Schutze neuerbauter Städte erstarkenden Bürgertums finden in den Kathedralen ihre überragenden Wahrzeichen. Die Innenräume der Kathedralen dokumentieren die Lehren der Scholasiker ebenso wie die Verzückung der Mystiker und eine neue, bisher nie gekannte Menschlichkeit der Bürger: Darstellungen Marias mit dem Leichnam Christi (Pietà) und Andachtsbilder, auf denen der Gekreuzigte eine Dornen- statt der früher üblichen Königskrone trägt, betrachteten Christus als Leidenden, zu dem man eine innerliche Beziehung aufbauen kann, und nicht mehr als strahlenden Sieger.

Die Grundlage des Bauplans einer Kathedrale ist wie auch bei den Kirchenbauten der Romanik das Schema der Basilika, wobei die Einzelräume nicht mehr wie in der Romanik aneinandergereiht, sondern zu einem Gesamtraum vereint werden. Die besonderen technischen Mittel, mit welchen die Gotik ihren architektonischen Ausdruck findet und die massive, düstere Schwere der Romanik überwindet, sind der Spitzbogen und das Strebewerk mit Rippengewölbe (Skelettbauweise). Spitzbögen sind wesentlich flexibler einzusetzen als die romanischen Rundbögen, erlauben sie doch bei verschieden breiten Öffnungen gleiche Bogenhöhen.

Bretagne-Architektur-Baustile-Gotik: Der Skelettbau in der Gotik.
Der Skelettbau der gotischen Kathedrale. Aus: wikimedia commons; bearbeitet.

Und durch den Skelettbau kann die gotische Architektur weitgehend auf tragende Mauern verzichteten. Die Last des Gewölbes kann durch wesentlich schlankere Pfeiler getragen werden, während der Seitenschub über die Strebebögen von den außerhab des eigentlichen Gebäudes stehenden Strebepfeiler aufgefangen wird. Die meist reich verzierten Fialen auf den Strebepfeilern betonen nicht nur die Optik des Aufstrebens, sondern dienen als zusätzliches Gewicht auch der Vergrößerung der Stabilität. Durch dieses Strebpfeilerprinzip können sich die Kathedralen lichtdurchflutet in ungekannte Höhen aufrichten. So steigert sich die Höhe des Chors (Altarraums) beispielsweise von 36 m in Chartres auf 38 m in Reims, 42 m in Amiens und auf wagemutige und nie übertroffene 48,50 m in Beauvais!