Bretagne-Tipp
mittendrin im Bretagne-Urlaub
Lanmeur liegt an der Bretagne-Nordküste zwischen Morlaix und Lannion (vgl. Bretagne-Karte). Wenn man dort in der Pfarrkirche Saint-Mélar unter dem Chor die Krypta besichtigen möchte, sollte man einige 20-Cent-Stücke für den Lichtautomaten dabei haben, sonst steht man im Dunklen. Und die Gefahr, sich den Kopf an den niedrigen Rundbögen zu stoßen, ist selbst bei eingeschaltetem Licht groß.
Die Krypta von Lanmeur soll der älteste Sakralbau der bretonisch-sprachigen Bretagne sein. Sie stammt aus der Zeit der Vorromanik, soll sogar auf das 6. Jahrhundert zurückgehen, und stände damit mit der Einwanderungsperiode der christianisierten Kelten in die Bretagne (vgl. Kelten und Heilige) in direktem Zusammenhang. Sie wurde für den Heiligen "Saint-Mélar" errichtet, um dessen Leben sich eine der "rührendsten Legenden" der Bretagne rankt, und beherbergte die Reliquien des jungen Märtyrers in einem Steinsarg zwischen den beiden mit Reliefen verzierten Säulen. In dieser Zeit brachten zahlreiche Pilger dem Heiligen ihre große Verehrung entgegen.
Mitte des 9. Jahrhunderts soll Mélar dann von den Erbauern und Hütern der Krypta, den Mönchen des Klosters Kernitron in Lanmeur, aus Angst vor Wikinger-Überfällen fortgeschafft worden sein. Die Reliquie wurde im Laufe der Zeit in ihre Einzelteile aufgeteilt und an verschiedene Orte verteilt, womit eine weite Ausbreitung der Saint-Mélar-Verehrung in der Bretagne einherging. Mélar wurde nicht nur der Schutzpatron von Lanmeur, sondern auch beispielsweise von St Méloir des Ondes oder St Méloir des Bois. Heute besitzt Lanmeur nur noch einen "winzigen Rest" des Heiligen, während Locmélar zwischen Landivisiau und Sizun als Reliquie einen Arm des Heiligen aufweisen kann. Auch außerhalb der Bretagne bestand eine Nachfrage nach seinen Reliquien. Sie kamen beispielsweise nach Orléans, Meaux und in ein Nonnenkloster in Amesbury in England (Quelle: das in der Kirche erhältliche Informationsheftchen).
Massive monolithische Säulen, grob behauene Kapitelle, gedrungene Rundbögen kennzeichnen den kleinen und niedrigen Raum. Von besonderem Interesse sind die beiden verzierten Säulen, deren Reliefe zu zahlreichen Interpretationen Anlass geben. Die den Reliefen zugeschriebenen Bedeutungen reichen von in Zusammenhang mit Darstellungen megalithischer Zeit stehenden Schlangen über Algen aus der Familie der Braunalgen bis zu Ästen, die in Pinienzapfen enden und Leben und Erneuerung symbolisieren könnten (vgl. L.-M. Tillet: Romanische Bretagne, S. 155).
Direkt rechts an der Eingangstür beherbergt die Krypta in einem halbkreisförmigen Brunnenbecken eine der heiligen Quellen der Bretagne. Das Becken kann auf geheimnisvolle, unvorhersehbare Weise mit Wasser gefüllt und kurz darauf wieder leer sein, ohne dass ein Zufluss oder Ablauf bekannt sind. "Zuweilen tritt es über und überschwemmt die Krypta und scheint damit die prophetischen Visionen zu bestätigen, die neuerliche Sintflut werde von dieser Quelle des St. Mélar ihren Ausgang an einem Allerheiligentag nehmen" (Spoerri, Plessen: Heilrituale an bretonischen Quellen. Casti/Schweiz 1977, S. 213).